1939 bis Kriegsende

Zweiter Weltkrieg. Vom Kriegsbeginn bis zur Kapitulation


Zwischen 1. September 1939 und 8. Mai 1945 brannten Europa, Nordafrika und Teile Asiens im Feuer des Zweiten Weltkriegs. Über 60 Millionen Tote forderte dieser weitreichendste Krieg der Menschheitsgeschichte, bis er in Europa mit der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands endete.

Die Bezeichnung „Österreich“ für diesen Zeitraum zu verwenden ist falsch. Sie müsste korrekterweise durch „Land Österreich“, „Ostmark“ oder „Alpen- und Donau-Reichsgaue“ ersetzt werden. Der Einheitlichkeit und des leichteren Verständnisses wegen verwende ich trotzdem den Begriff „Österreich“.


Inhalt

[Die Quellen der Zitate in den grünen Kästen sind unten im Literaturverzeichnis angeführt.]



Kriegsbeginn und Rationierungen


Am 1. September 1939 griff Hitler Polen an und begann damit seine sogenannten „Blitzkriege“, die darauf abzielten, innerhalb kürzester Frist ein Land zu überfallen und zu übernehmen. Die Geschwindigkeit der militärischen Vorstöße war hoch, sodass die überrumpelten Streitkräfte der angegriffenen Länder zu keiner organisierten Gegenwehr fähig waren.

Die Kriegführung zeichnete sich auch im Alltag der Zivilbevölkerung ab. Schon Ende August wurden Lebensmittelkarten ausgegeben. Die Staatsführung hatte aus der katastrophalen Versorgungslage des Ersten Weltkriegs gelernt. Es gab Karten für Brot, Fleisch, Fett, Eier und Marmelade beziehungsweise Zucker. Kartoffeln, Obst und Gemüse waren in den ersten Kriegsmonaten noch frei erhältlich.
Ab April 1942 musste die Rationierung jedoch verschärft werden, was sich negativ auf die Moral der Bevölkerung auswirkte. In den Folgejahren blieben die Rationen auf niedrigem Stand und sanken bis Kriegsende erneut drastisch ab.

Wochenrationen für einen durchschnittlichen Erwachsenen:

ZeitpunktBrot (gr.)Fleisch (gr.)Fett (gr.)
September 19392400500270
April 19422000300206
Juni 19432325250218
Oktober 19442225250218
März 19451778222109

Weitere Waren, die im Krieg gegen Bezugsschein zur Verfügung standen, waren beispielsweise Benzin oder Bekleidung.



Die erste Deportation nach Nisko


Am 20. Oktober 1939 wurden die ersten 912 männlichen Juden aus Österreich deportiert. Ausgehend vom Wiener Aspangbahnhof wurden sie nach Nisko am San im damaligen Generalgouvernement Polen transportiert. Dort sollte nach den Wünschen Adolf Eichmanns ein „Reservat für Juden“ entstehen, das durch jüdische Handwerker erbaut werden sollte. Viele von ihnen wurden jedoch nach der Ankunft vertrieben, sodass ihnen nur die Flucht in die Sowjetunion blieb. Im April 1940 wurde dieses Projekt aufgegeben, weil aus verschiedensten Gründen keine weiteren Bahntransporte für diesen Zweck freigemacht werden konnten. Die in Nisko befindlichen österreichischen Juden kehrten nach Wien zurück.



Der erste Luftangriff auf ein österreichisches Ziel


Etwa ein Jahr nach dem Überfall auf Polen, am 6. September 1940, beschoss zwischen 1 und 2 Uhr früh erstmals fremde Luftwaffe ein Ziel in Österreich. Ein britisches Kampfflugzeug warf über der Baustelle des Aluminiumwerks in Ranshofen Brand- und Sprengbomben, ehe es bei einem dritten Überflug auch das Maschinengewehr einsetzte.

Im Kriegstagebuch der Rüstungsinspektion XVII vom 7. September 1940 heißt es:

Das Flugzeug flog im Gleitflug an und warf Brandbomben auf einen im Bau befindlichen Tonerdesilo, dessen Verschalung in Brand geriet; das dazwischen befindliche Eisen verglühte, das Feuer konnte auf den Brandherd beschränkt bleiben. Dann wurden weitere Brandbomben auf die Baustelle und das benachbarte Waldgelände geworfen (kleiner Waldbrand, der in einer Stunde gelöscht war).
Beim zweiten Anflug wurden aus einer Höhe von 50–100 m sieben Sprengbomben geworfen, wovon drei innerhalb der Baustelle auftrafen und Trichter von 4–5 m Durchmesser und 1–20 m Tiefe [gemeint war wahrscheinlich 1–2 m] verursachten. Eine Wand und sämtliche Fenster wurden eingedrückt.
Beim dritten Anflug wurde die Baustelle aus niedriger Höhe mit MG-Feuer belegt. Dabei wurden 3 Gefolgschaftsmitglieder verletzt, davon einer schwer durch Brustschuss.
Der Gesamtschaden wird auf 80.000 bis 100.000 RM geschätzt. Die Fertigstellung des Baues ist dadurch um ca. 1 Monat verzögert.

Kriegstagebuch der Rüstungsinspektion XVII von 1. Juli bis 30. September 1940, Eintrag vom 7. September 1940



Das „Führer“-Sofortprogramm


Als im August 1940 erstmals Berlin von englischen Fliegern angegriffen wurde, war der Schock in der Führungsetage des Dritten Reichs groß, dabei hätten die Verantwortlichen eigentlich damit rechnen müssen. Schließlich hatte Deutschland in den Tagen davor englische Ziele attackiert und sogar London beschossen.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte man sich reichsweit nur auf den aktiven Luftschutz, sprich die Flakabwehr, verlassen. Nun musste man sich jedoch über den passiven Luftschutz, sprich den Schutzraumbau, Gedanken machen.

So befahl Hitler am 10. Oktober 1940 das sogenannte „Führer-Sofortprogramm“, auch „Sonderaktion Luftschutzbau“ genannt. Es handelte sich dabei um das größte je durchgeführte zweckgebundene Bauprogramm und erstreckte sich auch auf österreichische Städte.

Sinn des Programms war die Errichtung von Schutzbauten für die Zivilbevölkerung. Hierzu wurden solche Städte zu Luftschutzorten 1. Ordnung ernannt, die über 100.000 Einwohner zählten, wichtige Rüstungs- oder Militärstandorte aufwiesen oder von strategischer Wichtigkeit waren. Bis Juli 1943 wurden nur Städte dieser Klassifizierung bei der Errichtung von Luftschutzbauten finanziell unterstützt.
In Deutschland fielen 94 Orte unter diese Regelung, in Österreich 12. Das waren Donawitz, Graz, Kapfenberg, Klagenfurt, Leoben, Linz, Salzburg, Sankt Pölten, Steyr, Villach, Wien und Wiener Neustadt.
Die 201 Luftschutzorte 2. Ordnung bekamen bis Juli 1943 keine finanzielle Unterstützung. Zu dieser Klasse zählten in Österreich beispielsweise Judenburg, Knittelfeld, Wels und Zeltweg.

Österreich konnte aufgrund seiner von den alliierten Luftwaffenstützpunkten weit entfernten geographischen Lage von Bombern kaum bedroht werden. Aus diesem Grund wurde es auch gerne „Reichsluftschutzkeller“ genannt – schon 1940 wurde deshalb der Ausbau von Luftschutzanlagen nach hinten gereiht. Man fühlte sich sicher. Es erschien zu diesem Zeitpunkt nicht nötig, Unsummen in Schutzbauten für die Zivilbevölkerung zu investieren.

Ab Juli 1943 nahm jedoch die Zahl der Luftangriffe der Alliierten auf das Dritte Reich infolge der neu hinzugekommenen US-amerikanischen Tagangriffe drastisch zu, sodass nun auch Luftschutzorte 2. Ordnung unterstützt wurden. Diese verfügten bis dahin nur über ausgebaute Keller und einzelne Luftschutzstollen.

Ab August 1943 war es mit der Rolle Österreichs als Reichsluftschutzkeller jedoch endgültig vorbei. Am 13. August griffen amerikanische Bomberstaffeln aus Nordafrika kommend Wiener Neustadt an. Der bis dahin nur behelfsmäßig durchgeführte Luftschutzausbau wurde nun forciert wieder in Angriff genommen.

1.) Für Wohngebiete (städtische Gebiete, Siedlungen, Laubenkolonien), in denen keine oder unzureichende Luftschutzräume vorhanden sind, sind behelfsmässige Schutzmassnahmen zu treffen.

Führer-Sofortprogramm, 10. Oktober 1940



Der erste Flakeinsatz in Wien


Wien wurde erstmals am 5. Dezember 1940 Nebenschauplatz des Luftkrieges. Ein englischer Sperrballon hatte sich nachmittags bis in die Stadt verirrt, wo er von Flakgeschützen abgeschossen wurde, sodass er brennend zu Boden sank. Da die Geschütze wahrscheinlich nahe der Reichsbrücke – quasi mitten in der Stadt – standen, wurden durch den voreiligen Abschussbefehl und die falsche Munition einige Zivilisten teils schwer verletzt.



Der Balkanfeldzug und das Führerhauptquartier in Mönichkirchen


Schon im April 1941 war Österreich der Schauplatz eines beginnenden Feldzugs. Nachdem Mussolini im Oktober 1940 mit seinem Vorhaben gescheitert war, Griechenland militärisch zu besiegen und zu besetzen, sah es Hitler als seine Pflicht an, ihm zu Hilfe zu eilen.
Zwischen November 1940 und März 1941 wurde der Waffengang im Südosten nun geplant, obwohl Hitler sich zu diesem Zeitpunkt auf sein Vorhaben konzentrieren wollte, die Sowjetunion anzugreifen. Schließlich standen im März 1941 deutsche Truppen an der bulgarisch-griechischen Grenze bereit, um ihren Einsatz zu beginnen.

Am 27. März jedoch gab es einen Putsch in Jugoslawien, das nur wenige Tage zuvor seinen Beitritt zum Dreimächtepakt besiegelt hatte. Die neue Führung kündigte die Zusammenarbeit mit den Achsenmächten auf und bot stattdessen der Sowjetunion einen Freundschafts- und Nichtangriffsvertrag an, der dort auf Zustimmung stieß. Jugoslawien galt somit dem Dritten Reich fortan nicht mehr als Verbündeter, sondern als Gegner.

Um zu vermeiden, dass sich britische Kräfte, die nun auf der Seite Jugoslawiens standen, in Südosteuropa festsetzen – 50.000 Mann waren zu diesem Zweck von Nordafrika abgezogen worden –, musste Hitler rasch reagieren. Er ordnete an, den jugoslawischen Staat zu zerschlagen. Dazu sammelte sich die 2. Armee im Süden Österreichs und zog von Kärnten und der Steiermark aus über Marburg gen Südosten.

Am 6. April 1941 begann der Balkanfeldzug, der bis 23. April beendet war – Griechenland und zuvor Jugoslawien hatten kapituliert.
Ebenfalls am 6. April 1941 griffen jugoslawische Flugzeuge als Reaktion auf den deutschen Einmarsch Ziele in Österreich an: Um 6:20 Uhr morgens warfen die Flieger Bomben auf die Ortschaften Lödersdorf und Deutschlandsberg ohne großen Schaden anzurichten. Kurz vor 16 Uhr bombardierten zwei jugoslawische Flugzeuge den Hauptbahnhof Graz. Ein 13-jähriges Mädchen – Maria Schrotter – starb.

Während des Balkanfeldzugs war der beschauliche Ort Mönichkirchen Standplatz der Sonderzüge hochrangiger Vertreter von Wehrmacht und SS. Hitler selbst weilte seit 11. April 1941 hier, um die militärischen Operationen in Südosteuropa zu lenken. Der Deckname für dieses mobile Führerhauptquartier lautete „Frühlingssturm“.
Die Standorte der Züge verteilten sich über einige Kilometer der Wechselbahn:

  • Hitler: Führer-Sonderzug „Amerika“ – nördlich des Großen Hartbergtunnels
  • Oberkommando der Wehrmacht: Sonderzug „Atlas“ – südlich des Großen Hartbergtunnels
  • Göring: Sonderzug „Asien“ – vor dem Westportal des Wiesenhöftunnels
  • von Ribbentrop: Sonderzug „Westfalen“ – Südbahnhof Wien
  • Himmler: Sonderzug „Heinrich“ – Abstellgleis Bahnhof Bruck an der Mur

Die Propaganda konnte natürlich nicht verlautbaren, wo sich dieses improvisierte Hauptquartier befand, so sprach eine Zeitung davon, Hitler stünde fern der Heimat im Feindesland, um seine Truppen zu lenken.

Um zu besprechen, wie Jugoslawien unter Deutschland und Bulgarien aufgeteilt werden sollte, bekam Hitler am 19. April – einen Tag vor seinem Geburtstag – Besuch von König Boris III. Mazedonien und der Mittelmeerhafen Burgos wurden ihm dabei von Hitler zugesichert.

Hans Baur, Hitlers Chefpilot, schreibt:

Von Wiener Neustadt führt eine einspurige Bahn weg, die Aspang-Bahn. Sie geht durchs Gebirge und windet sich häufig durch Tunnels. Etwa fünfundzwanzig Kilometer von Wiener Neustadt stand während der Zeit der Auseinandersetzung mit Jugoslawien der Sonderzug Adolf Hitlers. Ständig war eine Lokomotive unter Dampf, die den Zug im Falle eines Luftangriffes in einen Tunnel ziehen konnte. Das Gelände dort war so bergig, daß es mir unmöglich war, in unmittelbarer Nähe einen Flugplatz zu finden.
[…]
Unmittelbar vor Beendigung des Feldzuges wurde ich nach Sofia geschickt, um König Boris zu holen. Der König, der fast immer in Zivil geflogen war, hatte diesmal Uniform getragen.
[…]
Der Flug nach Sofia und zurück ging glatt. Ich fuhr sofort zu Hitler, um ihm zu berichten. Als ich ihm von der Freude des Königs erzählte und aber auch erwähnte, daß er an Stelle des Hafens Burgos lieber Saloniki gesehen hätte, schmunzelte Hitler und sagte: „Ja, Saloniki, aber den haben wir für uns vorgesehen. Wenn der Krieg vorüber ist, brauchen wir einen Hafen am Mittelmeer. Triest, der frühere Hafen der österreichisch-ungarischen Monarchie, befindet sich in italienischen Händen. Wir sind mit den Italienern befreundet, und wir möchten jeden Zwiespalt mit Mussolini vermeiden. Ich habe also vor, nach dem Kriege Saloniki zu einem neutralen Hafen zu machen, der uns zugute kommt.“

Hans Baur, 1993

Am 26. April setzte sich Hitlers Sonderzug in Bewegung, um das besiegte Jugoslawien zu besuchen. Wieder war ein Blitzkrieg erfolgreich verlaufen.



Das „Unternehmen Barbarossa“ beginnt


Als das Dritte Reich am 22. Juni 1941 die Sowjetunion angriff, ahnte wohl noch niemand, dass dieser Feldzug zum Teil in Österreich enden würde. Knapp vier Jahre lang wurde ein Krieg für „Lebensraum im Osten“, gegen „Bolschewismus“ und „Weltjudentum“ geführt, was Hitlers Legitimation für schlimmste Kriegsverbrechen und millionenfaches Morden an der vor allem jüdischen Bevölkerung Europas darstellte.
Standen die Wehrmachtseinheiten der Ostfront am 30. November 1941 nur 18 Kilometer vor Moskau, so fanden sie sich im März 1945 in Österreich wieder.



Die „Endlösung der Judenfrage“


Bis Herbst 1941 forcierten die nationalsozialistischen Entscheidungsträger die zwangsweise jüdische Auswanderung, durchgeführt von den „Zentralstellen für jüdische Auswanderung“, die nach den „Erfolgen“ in Wien auch in Prag und Amsterdam gegründet wurden. In Berlin wurde die „Reichszentrale für jüdische Auswanderung“ eingerichtet.

Reinhard Heydrich, der Chef der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes (SD) gab im Besprechungsprotokoll zur Wannseekonferenz die etwas zu hohe Angabe von 147.000 Juden an, die zwischen 15. März 1938 und 31. Oktober 1941 zur zwangsweisen Auswanderung aus Österreich gebracht wurden. Diese Vorgangsweise wurde jedoch ab Herbst 1941 eingestellt.

Am 23. Oktober 1941 erließ Himmler ein Auswanderungsverbot für Juden. Er befürchtete, jüdische Männer könnten zuerst auswandern und anschließend auf Seiten der Alliierten gegen Deutschland kämpfen. Juden wurden nun in Ghettos zusammengetrieben und systematisch in den Osten deportiert, wo sie in Vernichtungslagern wie Chelmno, Auschwitz-Birkenau, Majdanek, Treblinka, Belzec oder Sobibor ermordet wurden. Heydrich sprach davon, in diesen Vorgängen die Erfahrungen zu sammeln, die für die „Endlösung der Judenfrage“ noch wichtig sein würden.

Diese wurde am 20. Januar 1942 im Rahmen der „Wannseekonferenz“ in Berlin besprochen. Anwesend waren Funktionäre der SS, der zivilen Besatzungsbehörden und der Zentralinstanzen des Reichs. Auch Eichmann saß mit am Tisch. Er war mittlerweile zum Referatsleiter im Reichssicherheithauptamt der SS (RSHA) aufgestiegen und direkt für die planmäßigen Deportationen der Juden verantwortlich.
In dem nachträglich von ihm verfassten Besprechungssprotokoll enthaltene Tabellen zeugen vom ungeheuren Vernichtungswillen der nationalsozialistischen Führung: 11 Millionen europäische Juden sollten von nun an deportiert und ermordet werden, 43.700 davon aus der „Ostmark“.

Unter entsprechender Leitung sollen nun im Zuge der Endlösung die Juden in geeigneter Weise im Osten zum Arbeitseinsatz kommen. In großen Arbeitskolonnen, unter Trennung der Geschlechter, werden die arbeitsfähigen Juden straßenbauend in diese Gebiete geführt, wobei zweifellos ein Großteil durch natürliche Verminderung [Tod durch Überanstrengung] ausfallen wird.

Der allfällig endlich verbleibende Restbestand wird, da es sich bei diesem zweifellos um den widerstandsfähigsten Teil handelt, entsprechend behandelt [bedeutet ermordet] werden müssen, da dieser, eine natürliche Auslese darstellend, bei Freilassung als Keimzelle eines neuen jüdischen Aufbaues anzusprechen ist. (Siehe die Erfahrung der Geschichte.)

Besprechungsprotokoll der Wannseekonferenz vom 20. Januar 1942, Seite 7f.



8.700 tote Österreicher in Maly Trostinec


Zwischen 6. Mai und 5. Oktober 1942 fuhren neun Züge mit etwa 8.700 österreichischen Juden von Wien nach Maly Trostinec nahe Minsk in Weißrussland. Dort befand sich seit April einerseits ein Zwangsarbeiterlager, andererseits eine Erschießungsstätte.

Nachdem die Züge angekommen waren, wurden 20 bis 50 – beim ersten Transport waren es circa 80 – arbeitsfähige Personen aus den etwa 1.000 Menschen ausgewählt, die pro Transport hierher verschleppt wurden, und ins Zwangsarbeiterlager verbracht.
Alle anderen wurden in einen Wald namens Blagowschtschina gebracht und durch Genickschuß ermordet. Sie wurden in Gruben verscharrt, die die ausgesonderten Juden aus dem Zwangsarbeiterlager zuvor ausheben mussten.

Etwa ab Juni 1942 wurden die Deportierten auch mittels Gaswagen getötet. Dazu wurden die Abgase eines speziell umgebauten luftdicht abschließbaren Lastwagens in den Innenraum der Ladefläche geleitet, wo sich etwa 50 bis 60 Personen befanden. Nach etwa 15 Minuten waren die Menschen tot. Sie wurden von einem aus Häftlingen bestehenden Entladekommando aus dem Gaswagen geholt und in die Gruben gelegt. Anschließend wurden die Angehörigen des Entladekommandos von der SS erschossen.

Maly Trostinec ist der Ort, an dem die meisten Österreicher im Zuge der Shoah ermordet wurden – mindestens 8.700 wurden dorthin deportiert, nur 17 von ihnen überlebten.
Die letzten Tötungsaktionen in Maly Trostinec wurden am 30. Juni 1944 durchgeführt.

In einem Tätigkeitsbericht der Waffen-SS heißt es:

Am 4.5. gingen wir bereits wieder daran neue Gruben, in der Nähe des Gutes vom Kdr. [Kommandeur], selbst auszuheben. Auch diese Arbeiten nahmen 4 Tage in Anspruch.
Am 11.5. traf ein Transport mit Juden (1000 Stück) aus Wien in Minsk ein, und wurden gleich vom Bahnhof zur obengenannten Grube geschafft. Dazu war der Zug direkt an der Grube eingesetzt.
Am 13.5. beaufsichtigten 8 Mann die Ausgrabung einer weiteren Grube, da in nächster Zeit abermals ein Transport mit Juden aus dem Reich, hier eintreffen soll.

Tätigkeitsbericht des II. Zugs des Bataillons der Waffen-SS z.b.V. (Gruppe Arlt) in Minsk, 17. Mai 1942



Die ersten strategischen Luftangriffe und ihre Folgen für die Rüstungsproduktion


Am 13. August 1943 wurde Österreich erstmals zum Ziel großer Bomberverbände. US-amerikanische Flugzeuge griffen – noch von nordafrikanischen Flugplätzen aus – die Wiener Neustädter Flugzeugwerke (WNF) an.

Die Folgen waren dramatisch: Einerseits war die Opferzahl relativ hoch, weil bisher niemand ernsthaft mit einem Angriff auf den „Reichsluftschutzkeller“ Österreich gerechnet hatte.
Andererseits dachten die führenden Köpfe des Militärs und der Rüstungsindustrie, die Amerikaner hätten Wind von der Produktion der A4-Raketen in den Rax-Werken bekommen. Dieses Firmengelände lag genau zwischen den beiden Standorten der WNF und bekam wohl nur zufälligerweise auch den einen oder anderen Bombentreffer.

Binnen weniger Monate wurde nun nach Möglichkeiten gesucht, die WNF und die Raketenherstellung unterirdisch zu verlagern, um die Produktion vor Bombenwirkung geschützt weiter zu betreiben.

Wurden Rüstungsbetriebe – auch solche, die wegen der Luftangriffe von Deutschland in österreichische Orte eingewiesen wurden – bis dahin noch großteils oberirdisch in leerstehende Fabriken einquartiert, so startete in diesen Tagen auch in Österreich die Schaffung sogenannter Untertageverlagerungen der Deutschen Rüstungsindustrie.

Dazu wurden einerseits bereits bestehende unterirdische Hohlräume wie Höhlen, Eisenbahntunnels, große Kelleranlagen oder Bergwerke sondiert und auf ihre Eignung als Industrieverlagerungsort geprüft. Die hauptsächlichen Kriterien waren die Anbindung an das bestehende Verkehrs-, vor allem das Eisenbahnnetz, geologische und mikroklimatische Gegebenheiten und die Möglichkeit, hunderte oder tausende Arbeiter in der Nähe unterzubringen.

Andererseits wurden eigens zu diesem Zweck Stollenanlagen konzipiert und in den Fels gehauen, die teils gigantische Dimensionen annahmen. Beispielsweise wurde in Schwaz ein altes Silberbergwerk adaptiert, um darin unter dem Decknamen „Stichling“ Teile des Messerschmitt-Düsenflugzeugs Me 262 zu produzieren, durch hunderte Meter Fels vor Bombenangriffen geschützt.
In Schwechat wurden Anfang 1944 etwa 50.000 Quadratmeter Bierlagerkeller der Schwechater Brauerei beschlagnahmt, um die Flugmotorenwerke Ostmark und das Flugmotorenwerk Steyr aufzunehmen. Die Decknamen für diese beiden Firmen lauteten auf „Renke“ und „Senta“. Etwa ein halbes Jahr später wurden auch die Heinkel-Werke mit den Decknamen „Santa I“ und „Santa II“ hier zugewiesen.
Ein Beispiel für eine eigens für Industriezwecke errichtete Untertageverlagerung ist die Anlage mit dem Decknamen „Zement“ in Ebensee. Sie bestand aus zwei riesigen räumlich voneinander getrennten Stollensystemen, der Anlage A und der Anlage B. Hier sollten in der ursprünglichen Planung A4-Raketen gebaut werden. Da für die gesamte A4-Produktion jedoch die Lösung gefunden wurde, sie im Mittelwerk bei Nordhausen in Deutschland konzentriert zu verlagern, wurde letztendlich in Ebensee Öl zu verschiedenen Treibstoffsorten raffiniert.

Ein Beispiel für die Suche nach einem Verlagerungsstandort und damit verbundene Probleme aus dem Tagebuch der Rüstungsinspektion XVIII Salzburg:

Die durch Bombenschaden teilweise zerstörte Zahnradfabrik in Friedrichshafen will einen Teil ihrer Fertigung in einen Kalksteinbruch bei Hohenems verlagern. Eine persönliche Besichtigung der Höhle durch den Inspekteur Oberst v. Nicolai und seinen Mitarbeitern ergab, daß dieselbe für Fertigungszwecke völlig ungeeignet ist. Der Aufwand, der hier für einen Fertigungsausbau notwendig wäre, steht in keinem Verhältnis zu der damit gewonnenen Nutzfläche. Außerdem können die Höhleneingänge von der Schweiz eingesehen werden, deren Grenze nur wenige Kilometer Luftlinie davon entfernt ist.

Gerade mit Rücksicht auf die nahe Schweiz muß erneut dringend davor gewarnt werden, weitere Verlagerungen in dieses Gebiet vorzunehmen. Alle getroffenen Maßnahmen rüstungsmäßiger Art werden schon durch die Liechtensteinischen Grenzgänger, die besonders bei Baufirmen beschäftigt sind, der fremdländischen (feindlichen) Spionage bekannt gemacht.

Tagebuch der Rüstungsinspektion XVIII Salzburg, April bis Juni 1944, Eintrag vom 22. Mai 1944



Die Moskauer Konferenz


Zwischen 19. Oktober und 1. November 1943 fand in Moskau ein Treffen der Außenminister Großbritanniens, der USA und der Sowjetunion statt. Robert Anthony Eden, Cordell Hull und Wjatscheslaw Michailowitsch Molotow berieten darüber, wie mit Deutschland zu verfahren sei, sobald der Krieg gewonnen sein würde.
Sie einigten sich im Zuge des als „Moskauer Konferenz“ in die Geschichte eingegangenen Treffens unter anderem auf die Auflösung der NSDAP, die völlige Zerschlagung der Rüstungsindustrie, die Bestrafung der Kriegsverbrecher und die Wiedererrichtung der Demokratie.

Außerdem verfassten sie die „Moskauer Deklaration“, die sich neben anderen Themen direkt auf Österreich bezog: Die drei großen Mächte definierten Österreich als das erste Opfer der Hitlerschen Aggression und die Wiederherstellung seiner Unabhängigkeit als oberstes Ziel. Ebenso nahm es jedoch Staat und Bevölkerung in die Pflicht, sich nach der Niederringung des Dritten Reichs für ihre Beteiligung an Krieg und Kriegsverbrechen zu verantworten.
Weiters sollten sämtliche Veränderungen, die nach dem „Anschluss“ eingetreten sind, null und nichtig und Österreichs Grenzen von 1938 wiederhergestellt werden.
Interessant ist, dass Stalin sich bereits 1941 der Niederringung Deutschlands sicher war. Ende dieses Jahres begrüßte er Eden erstmals in Moskau und vertrat die Meinung, Österreich sollte als unabhängiger Staat wiedererrichtet werden.

In der Moskauer Deklaration von 1943 heißt es:

Österreich wird jedoch darauf aufmerksam gemacht, dass es für die Beteiligung am Kriege auf seiten Hitlerdeutschlands die Verantwortung trägt, der es nicht entgehen kann, und dass bei der endgültigen Regelung unvermeidlich sein eigener Beitrag zu seiner Befreiung berücksichtigt werden wird.

Bekanntmachung der Moskauer Deklaration, 30. Oktober 1943



Zwangsarbeit in Österreich


In Österreich befanden sich zwischen 1939 und Kriegsende hunderttausende Zwangsarbeiter. Die Lücken, die zum Dienst an die Front berufene Arbeiter hinterließen, wurden sukzessive durch Zwangsarbeiter aufgefüllt.

Versuchten die deutschen Behörden anfangs, freiwillige Arbeiter aus den besetzten Gebieten mit falschen Versprechungen nach Deutschland und Österreich zu locken, so ging man im Laufe der Zeit immer mehr zu zwangsweiser Rekrutierung über – viele zivile Fremdarbeiter wurden einfach hierher verschleppt.

Im späteren Verlauf des Krieges fanden auch Kriegsgefangene Verwendung im deutschen Arbeitsmarkt, letztendlich auch Häftlinge aus Konzentrationslagern. Beispielsweise standen schon 1939 Tschechen und Slowaken in Österreich im Arbeitseinsatz für die Rüstungsproduktion beziehungsweise für den Bau von Rüstungsfabriken.
Aus Vichy-Frankreich, dem nicht vom Dritten Reich besetzten, aber mit ihm kollaborierenden Südteil Frankreichs, wurden etwa 600.000 Personen über das „Service du travail obligatoire“ (STO) zur Arbeit nach Deutschland verpflichtet – einige von ihnen kamen auch nach Österreich.

Während westliche Kriegsgefangene und Fremdarbeiter in der Hierarchie der Zwangsarbeiter relativ gut gestellt waren, Löhne bekamen, versichert waren und sich teilweise frei bewegen konnten, waren Menschen aus dem Osten, Juden und Jüdinnen und die als „Zigeuner“ verunglimpften Sinti und Roma am unteren Ende der NS-Werteskala der Zwangsarbeiter zu finden. Sie wurden am schlechtesten behandelt, erhielten die niedrigsten „Löhne“, bekamen am wenigsten zu essen und durchlitten die schlimmsten Schikanen, die nicht selten zum Tode führten.

Ende 1944 befanden sich auf heutigem österreichischem Boden etwa 208.000 Kriegsgefangene, 580.000 zivile Fremdarbeiter und 55.000 ungarische Juden und Jüdinnen. Weiters waren zwischen 1938 und Kriegsende etwa 200.000 Häftlinge hier in Konzentrationslagern interniert.

Die meisten dieser Menschen stammten aus den Ostgebieten Polen, Russland, Ukraine und Weißrussland. Ende September 1944 befanden sich aus dem Generalgouvernement für die besetzten polnischen Gebiete und dem Bezirk Bialystok 106.000 Menschen, aus dem Protektorat Böhmen und Mähren 61.000, aus Frankreich 57.000, aus Italien 49.000, aus Jugoslawien 33.000 und weitere Menschen aus kleineren Nationen auf dem Gebiet des heutigen Österreich.

Zu diesem Zeitpunkt stellten diese Personen gemeinsam mit den für Zwangsarbeit herangezogenen Kriegsgefangenen, KZ-Häftlingen, ungarischen Juden und Jüdinnen, Sinti und Roma etwa 30 bis 33 Prozent aller Beschäftigten der Alpen- und Donau-Reichsgaue. Sie kamen zum größten Teil in der Landwirtschaft, der Rüstungsindustrie, im Baugewerbe und in der Eisen- und Stahlindustrie zum Einsatz.

Anna Bondarenko, die als junge Frau ins Deutsche Reich verschleppt wurde, erzählt von ihren Erlebnissen:

1941 begann der Krieg, und die Deutschen kamen im Jahre 1942 in unsere Stadt [Krasny Sulin, Russland] – im selben Jahr, in dem auch mein Vater starb.
1942 kam ein Gemeindevertreter in unseren Hof und befahl mir, beim Ausheben von Schützengräben mitzuhelfen. Wir wurden am Bahnhof zusammengetrieben. Dort waren sehr viele Leute, vor allem Jugendliche, einige Erwachsene und so gut wie keine Alten. Man trug die Kleidungsstücke auf dem Leib, mit denen man das Haus verlassen hatte. Als wir alle am Bahnhof versammelt waren, teilte man uns mit, dass wir in der Stadt Sachty Schützengräben auszuheben hätten. Als wir bereits mehr als zwei Stunden mit dem Zug unterwegs waren, kam uns dies seltsam vor.
Es stellte sich heraus, dass wir nicht nach Sachty, sondern nach Deutschland gebracht werden sollten. Doch dies war nicht möglich, weil die Eisenbahnverbindung unterbrochen war und deshalb entschied man, uns nach Österreich, in die Ortschaft Kalsdorf, zu führen.
Wir wurden ausgeladen und hinter einen Stacheldraht gesteckt. In dieser Ortschaft gab es eine Fabrik, von der mich ein Vorarbeiter zu sich nahm, um Nägel zu verpacken und die Päckchen in Waggons zu verladen. Den Weg zur Arbeit und von dort zurück beschritten wir im Konvoi unter Bewachung.
[…]
Doch dank der Hilfe der Ortsbewohner, die ihr Leben riskierten und uns – wo immer sie konnten – Nahrung zukommen ließen, konnten wir überleben. Wir arbeiteten bis zu dem Zeitpunkt, als unsere Soldaten ins Dorf kamen und uns befreiten.

Anna Bondarenko, ehemalige Zwangsarbeiterin bei Lapp-Finze



Der Höhepunkt des Luftkriegs


Die in der zweiten Jahreshälfte 1943 beginnenden Luftangriffe auf Ziele in Österreich erreichten 1944 und 1945 ihren zerstörerischen Höhepunkt. So gut wie alle größeren Städte wurden bombardiert.
Die ersten Angriffe auf österreichische Gebiete flogen die Amerikaner noch von Nordafrika aus. Darunter fallen alle Anflüge zwischen 13. August und 2. November 1943. Während der Verlegung der Bomberverbände von Afrika nach Italien herrschte einige Wochen Ruhe bis die Luftangriffe ab 15. Dezember wieder einsetzten.

Dabei gab es Unterschiede in der Durchführung:
Die britische Royal Air Force (RAF), die jahrelang deutsche Städte bombardierte, stand für Nachteinflüge und Flächenbombardements. So mancher Feuersturm in dicht bebauten deutschen Altstädten war die Folge.
Die US-amerikanischen United States Army Air Forces (USAAF), von denen Österreich hauptsächlich bombardiert wurde, setzten hingegen auf Tagangriffe gegen konkrete Ziele. Hätten die Briten die Federführung auch in Österreich übernommen, wären die Opferzahlen und der Grad der Zerstörung noch höher ausgefallen.

Ziele der Luftangriffe waren Betriebe der Rüstungsindustrie, wobei anfangs die Flugzeugproduktion ganz oben auf der Liste der Ziele stand und gegen Ende hin vor allem die Panzerproduktion ins Visier genommen wurde. In dieser Kategorie von Zielen standen vor allem Wiener Neustadt, Sankt Valentin sowie Wien, Kapfenberg, Leoben, Linz und weitere Städte am Angriffsplan der amerikanischen Flieger.
1944 konzentrierten sich die Angriffe gegen „Ölziele“, Treibstoffproduktion, Raffinerien und Tanklager wurden in Grund und Boden gebombt. Auf österreichischem Boden waren hier vor allem die großen Raffinerien bei Moosbierbaum, rund um Wien und in Linz betroffen.
Die dritte Kategorie stellten die strategischen Ziele dar, wo es galt, Verkehrsinfrastruktur zu zerstören, um Nachschub oder Verlegungen von Gerät, Munition und Soldaten zu verhindern oder zu verzögern. Diese Ziele gab es reichlich, vor allem aber waren Linz, Klagenfurt, Villach, Salzburg, Wels und Graz die leidtragenden Städte.

In Summe wurden etwa 20.000 Österreicher Opfer des Luftkriegs, davon alleine in Wien 8.769. Weitere circa 15.000 nichtösterreichische Opfer waren landesweit zu beklagen. Die Anzahl der Verwundeten belief sich auf 57.000.
Über 75.000 Wohnungen waren österreichweit durch die Luftangriffe zerstört worden. 6.000 Kilometer Eisenbahngleise waren unbefahrbar, was etwa der Hälfte des damaligen Eisenbahnnetzes entsprach.
Die Abschußquote der Fliegerabwehr nimmt sich dagegen höchst ineffizient aus. Um ein Flugzeug zu treffen, waren 3.343 Schüsse der schweren Flak notwendig. Trotz dieser hohen Schusszahl konnte sie nur etwa 0,8 Prozent der Bomber abschießen.

Die letzten strategischen Luftangriffe auf österreichische Gebiete fanden am 25. April 1945 auf Linz und Wels, am 26. April auf Villach, am 27. April auf Graz und am 1. Mai auf Salzburg statt.

Einen einzelnen Bombenangriff gab es jedoch noch am 8. Mai 1945. An diesem Tag waren amerikanische Einheiten von Oberösterreich kommend nach Amstetten gesandt worden, um mit der Roten Armee Fühlung aufzunehmen. Da die bedingungslose Kapitulation des Deutschen Reiches am 8. Mai, 23 Uhr, in Kraft treten sollte, befanden sich auch deutsche Einheiten dort, die sich möglichst kampflos in den Westen absetzen wollten, um der Gefangennahme durch Sowjets zu entgehen.

Einige Minuten bevor die Rote Armee am Amstettner Hauptplatz eintraf, um sich mit den Amerikanern zu besprechen, eröffneten russische Flugzeuge das Feuer auf die deutsch-amerikanische Militärversammlung am Hauptplatz, weil sie kurz zuvor von einer Flak beschossen worden waren. Einige Bomben zerstörten den Platz und forderten noch am letzten Tag des Krieges 28 völlig sinnlose Todesopfer unter den deutschen Soldaten, der Zivilbevölkerung, den Flüchtlingen, Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen, die sich dort aufhielten.

Irmgard Schiel, eine Zeitzeugin, die in Salzburg den Bombenkrieg miterlebte, schildert ihre Erlebnisse so:

Wir hatten damals in Salzburg einen sicheren Platz, das war ein Stollen in den Mönchsberg, mit 30 Metern Naturstein darüber. Da saßen die alten Leute immer schon davor, dann immer am Vormittag kamen die Bomber, und sind mit ihrem Stockerl gleich hinein geflüchtet. Wir sind von etwas weiter weg hingekommen, ich mit dem Fahrrad, meine Eltern zu Fuß. Drinnen war man also sicher. Aber man musste auch wieder heraus – und die Engländer wussten natürlich ganz genau von dem Stollen und haben Zeitbomben abgeworfen. Da hat man dann nie gewusst, wann die hochgehen würden. Wir sind damals bis zum letzten Tag immer vorsichtig nach Hause gegangen und haben um die Ecke geschaut, ob unser Haus noch steht.

Und eines Tages war im Garten ein großer Bombentrichter. Die Kommission für Bombenschäden hat darin mit langen Stangen herumgestochert und hat dann gemeint, dass es wahrscheinlich ein Blindgänger ist. Aber kaum waren sie fertig und wieder im Haus, ist die Bombe doch explodiert, dass der halbe Garten durch die zersplitterten Fenster hereingeflogen ist. Wir mussten das alles wieder aus dem Haus hinausschaufeln. Das war ein riesiger Schreck.
Wir konnten uns in diesen letzten Kriegstagen auch nicht mehr ausziehen zum Schlafen. Wir haben uns angezogen aufs Sofa gelegt und geschlafen, solange es ging. Denn wenn die Sirene losgegangen ist, mussten wir wieder in den sicheren Stollen, zumal unser Haus zwischen Salzach und Bahnhof gestanden ist.

Irmgard Schiel, Zeitzeugin des Bombenkriegs



Die Rote Armee erreicht Österreich


Am 29. März 1945 überquerten die ersten Truppen der heranrückenden Sowjetarmee die Grenze von Ungarn ins Burgenland. Die Panzer des IX. Garde-mech.-Korps gelangten bei Klostermarienberg auf damaliges Reichsgebiet. Ihr weiterer Weg an diesem Tag führte sie über Mannersdorf bis kurz vor Dörfl sowie über Rattersdorf und Lockenhaus nach Hochstraß und Pilgersdorf, wobei sie bei Lockenhaus auf deutschen Widerstand stießen.



Der Kampf um Wien


Schon etwa eine Woche danach begann die Schlacht um Wien. Von 5. bis 13. April 1945 führten deutsche Einheiten der Wehrmacht und SS einen Abwehrkampf gegen die Rote Armee, der zehntausende Opfer und unzählige Schäden an Gebäuden hinterließ.
Eine kampflose Übergabe der Stadt, die von Carl Szokolls militärischer Widerstandsgruppe organisiert wurde, vereitelten linientreue Militärs, die die Vorbereitungen bemerkten. In der Folge wurden die Offiziere Karl Biedermann, Alfred Huth und Rudolf Raschke standrechtlich zum Tode verurteilt und am 8. April am Floridsdorfer Spitz erhängt.



Die österreichische Unabhängigkeitserklärung und die Provisorische Staatsregierung unter Karl Renner


Der 27. April 1945 kennzeichnete das Ende des Nationalsozialismus in Österreich, genauer gesagt vorerst im Osten des Landes. An diesem Tag unterzeichneten die drei Gründungsparteien der Zweiten Republik, SPÖ, ÖVP und KPÖ, die österreichische Unabhängigkeitserklärung – der „Anschluss“ von 1938 wurde damit für null und nichtig erklärt. Dies war schon in der „Moskauer Deklaration“ als wichtigster Punkt festgehalten worden.

Am gleichen Tag trat auch die „Provisorische Staatsregierung Renner“ in Kraft, die bis zum Wiedereinsetzen des Bundesverfassungsgesetzes von 1929 im Amt blieb. Staatskanzler, die damalige Bezeichnung für „Bundeskanzler“, war wie schon zu Beginn der Ersten Republik Karl Renner.

Ihm wurde von Stalin das Vertrauen ausgesprochen:

1) KARL RENNER ist Vertrauen zu erweisen.
2) Ihm ist mitzuteilen, dass ihm die Kommandantur der Sowjetischen Streitkräfte bei der Wiederherstellung der demokratischen Ordnung in ÖSTERREICH Unterstützung gewähren wird.

3) Ihm ist mitzuteilen, dass die sowjetischen Streitkräfte die Grenzen ÖSTERREICHS nicht zwecks Besetzung des Staatsgebiets ÖSTERREICHS überschritten haben, sondern um die faschistischen Besatzer aus ÖSTERREICH zu vertreiben.

Stalin, 1945

Eine der ersten wichtigen Handlungen Renners war die Wiedereinführung der Demokratie, die während der letzten zwölf Jahre so gelitten hatte. Mit 1. Mai 1945 wurde ein Verfassungsgesetz in Kraft gesetzt, das dem Nationalsozialismus nun auch auf rechtlicher Ebene ein Ende setzte:

§1. (1) Österreich wird wieder als eine demokratische Republik eingerichtet.

Bundesverfassungsgesetz vom 1. Mai 1945



Auch die Westalliierten erreichen Österreich


Das Kriegsende war nun schon in greifbarer Nähe.
Am 28. April 1945 erreichten die Amerikaner österreichisches Gebiet über die Tiroler Grenze. Einheiten stießen bei Vils nahe Reutte, südlich von Pfronten bei Steinach und über den Fernpass ins Inntal vor, wobei es am letztgenannten Ort das heftigste Gefecht auf Tiroler Boden gab, dem sowohl auf amerikanischer als auch auf deutscher Seite etwa 100 Soldaten zum Opfer fielen.
Dank einer zwar chaotischen, dennoch erfolgreichen Übernahme der Stadt Innsbruck durch die Widerstandsbewegung erfolgten hier keine Kampfhandlungen. Am 3. Mai 1945 war Innsbruck befreit und von Amerikanern besetzt worden.

Franzosen und Marokkaner betraten erstmals am 29. April 1945 in Vorarlberg bei Hohenweiler österreichischen Boden. Bregenz wurde, da die Deutschen ein Ultimatum verstreichen ließen, am 1. Mai von französischen und marokkanischen Truppen angegriffen und innerhalb eines Tages besetzt. Die Kämpfe in Vorarlberg dauerten bis 6. Mai.

Am 30. April überschritten die Amerikaner nun auch die Grenze in Oberösterreich im Bereich des Mühlviertels bei Kollerschlag. Zuvor gab es in dieser Zone nur einen kurzen Vorstoß einer Panzer-Divison am 26. April. Bis 3. Mai erreichten die US-Truppen Neufelden und Haslach. Ab 2. Mai stießen die Amerikaner auch südlich der Donau bis Wels und Vöcklabruck vor. Am 5. Mai besetzten sie Linz nach Überwindung geringer Gegenwehr.

Auch das Bundesland Salzburg wurde in diesen Tagen erstmals von US-Truppen betreten, nämlich am 3. Mai 1945. Nur wenige Stunden zuvor stießen auch französische Einheiten im Verband einer amerikanischen Armee bei Hallein auf österreichisches Gebiet vor.
Aufgrund unterschiedlicher Interessen zwischen verschiedenen deutschen Truppenkörpern, die zwischen Übergabe und Abwehrkampf schwankten, wurde Salzburg noch einige Zeit von den Amerikanern beschossen, ehe die Stadt am 4. Mai 1945 besetzt werden konnte.

Und auch im Süden erreichten alliierte Truppen Österreich. Britische Verbände betraten am 8. Mai 1945 Kärntner Boden und besetzten Klagenfurt kampflos, nachdem sich dort bereits eine provisorische Landesregierung gebildet hatte. Zuvor hatten sich die Briten mit den jugoslawischen Partisanen ein Rennen geliefert, wer von beiden zuerst das Territorium besetzen und somit Gebietsforderungen stellen konnte. Die Briten entschieden dieses Rennen nur um Stunden für sich. Die Jugoslawen wurden einige Tage danach unter sowjetischen Befehl gestellt und mussten nach Slowenien zurückgehen.

Graz war zwar in den letzten Kriegstagen noch teilweise vermint und auf den Kampf gegen die Rote Armee vorbereitet worden, doch kam es nicht dazu. Die sowjetischen Truppen hielten östlich von Graz die Stellung, der Hauptteil ihrer Verbände rückte gen Wien weiter.
Am 8. Mai wurde die nationalsozialistische Stadtführung abgesetzt und Graz in der Nacht vom 8. auf den 9. Mai 1945 nach Abzug der deutschen Truppen kampflos von der Roten Armee besetzt, die im Juli den Platz für die Briten räumte.



Die bedingungslose Kapitulation der Deutschen Wehrmacht


Der 8. Mai 1945 war nun der Tag, an dem zumindest am Papier wieder Ruhe in Europa einkehrte – der Zweite Weltkrieg war um 23:01 Uhr durch die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht zu Ende gegangen.

1. Wir, die hier Unterzeichneten, handelnd in Vollmacht fuer und im Namen des Oberkommandos der Deutschen Wehrmacht, erklaeren hiermit die bedingungslose Kapitulation aller am gegenwaertigen Zeitpunkt unter deutschem Befehl stehenden oder von Deutschland beherrschten Streitkraefte auf dem Lande, auf der See und in der Luft gleichzeitig gegenueber dem Obersten Befehlshaber der Alliierten Expeditions Streitkraefte und dem Oberkommando der Roten Armee.

Kapitulationserklärung, 1. Absatz








Literatur


Quellen

Mikrofilmbestände der Fachbereichsbibliothek für Zeitgeschichte der Universität Wien:
MF T-77, Rolle 747/1980420 (Fliegerangriff auf Aluminiumwerk Ranshofen)
MF T-77, Rolle 747/1980428 (Englischer Sperrballon über Wien)


Druckwerke

Michael Foedrowitz, Bunkerwelten. Luftschutzanlagen in Norddeutschland (Augsburg 2011)

Marcello La Speranza, Begegnungen. NS- und Kriegsspuren in Wien, Expeditionen, Hinterlassenschaften, Zeitzeugen, Bd. 1 (Wien 2015)

Marcello La Speranza, Flakturm-Archäologie. Ein Fundbuch zu den Wiener Festungsbauwerken (Berlin 2012)

Marcello La Speranza, Der zivile Luftschutz in Österreich 1919–1945. In: Republik Österreich, Bundesminister für Landesverteidigung (Hg.), Kuckucksruf und Luftschutzgemeinschaft. Der Luftschutz der Zwischenkriegszeit – Avantgarde der modernen ABC-Abwehr und des zivilen Luftschutzes (Schriftenreihe ABC-Abwehrzentrum 8, Korneuburg 2019)

Peter Longerich, Wannseekonferenz. Der Weg zur „Endlösung“ (München 2016)

Alois Niederstätter, Geschichte Österreichs (Stuttgart 2007)

Manfried Rauchensteiner, Der Krieg in Österreich 1945 (Wien 2015)

Ralf Georg Reuth, Kurze Geschichte des Zweiten Weltkriegs (Berlin 2018)

Gerald Stourzh, Geschichte des Staatsvertrages 1945–1955. Österreichs Weg zur Neutralität (Graz 1980)

Karl Vocelka, Geschichte Österreichs. Kultur – Gesellschaft – Politik (München 2009)

ARGE Zeitsprünge, „Frühlingssturm“. Ein Führer-Hauptquartier in Niederösterreich, Mönichkirchen, 12. bis 25. April 1941 (Berndorf 2013)


Internet

Wilfried Beimrohr, Das Kriegsende 1945 in Tirol, PDF online unter:
https://www.tirol.gv.at/fileadmin/themen/kunst-kultur/landesarchiv/downloads/kriegsende1945.PDF (21. Oktober 2019)

Heinz Berger, Zwangsarbeit in KZ-Nebenlagern für die deutsche Rüstungsindustrie (Vortragsankündigung), online auf der Website des Ludwig Boltzmann Institute for Digital History unter:
https://geschichte.lbg.ac.at/2019/zwangsarbeit-kz-nebenlagern-fur-deutsche-rustungsindustrie (20. Oktober 2019)

Interview mit Florian Freund, PDF online unter:
http://www.demokratiezentrum.org/fileadmin/media/pdf/zwangsarbeit_1.pdf (20. Oktober 2019)
Printquelle: Forum politische Bildung (Hg.), Wieder gut machen? Enteignung, Zwangsarbeit, Entschädigung, Restitution (Wien/Innsbruck 1999), S. 46–53.

Dieter J. Hecht, Eleonore Lappin-Eppel, Michaela Raggam-Blesch, Topographie der Shoah, Deportationen, online unter:
http://www.topographie-der-shoah.at/deportationen.html (14. Oktober 2019)

Gerold Keusch, Das Alpenvorland im Frühjahr 1945, mit elf Kapiteln online unter:
https://www.truppendienst.com/themen/beitraege/artikel/das-alpenvorland-im-fruehjahr-1945-2/#page-1 (21. Oktober 2019)

Michael Rosecker, Gründer einer erfolgreichen Republik – die Zweite Republik, Aufbruch aus der Katastrophe, online unter:
https://www.rennermuseum.at/zweite-rep.htm (21. Oktober 2019)

Martin Rosenkranz, Dröhnender Himmel … Luftkrieg über der „Ostmark“, mit einigen Unterkapiteln online unter:
http://www.airpower.at/news03/0813_luftkrieg_ostmark/index.html (20. Oktober 2019)

Austria-Forum, Österreich 1938–1945, online unter:
https://austria-forum.org/af/AEIOU/%C3%96sterreich_1938-1945 (14. Oktober 2019)

Austria-Forum, Weltkrieg, Zweiter, 1939–1945, online unter:
https://austria-forum.org/af/AEIOU/Weltkrieg%2C_Zweiter (14. Oktober 2019)

Bezirksmuseum 1060 Wien, 1914. Die Versorgungslage im 1. Weltkrieg (2014), PDF online unter:
http://www.bezirksmuseum.at/de/bezirksmuseum_6/bezirksmuseum/geschichtstexte/contentfiles/641/Bezirke/Bezirk-06/1914_-_Text_29.09.2015.pdf (11. Oktober 2019)

Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands, Vernichtungslager Maly Trostinec, mit Unterkapiteln online unter:
http://www.doew.at/erinnern/fotos-und-dokumente/1938-1945/vernichtung-deportationen-nach-maly-trostinec-1942/vernichtungsort-maly-trostinec (18. Oktober 2019)

Haus der Geschichte Österreich, Helmut Konrad, Moskauer Deklaration, online unter:
https://www.hdgoe.at/moskauer-deklaration (20. Oktober 2019)
bzw.
https://www.hdgoe.at/CMS/items/uploads/Website/module_image/Moskauer_Deklaration.jpg (20. Oktober 2019)

Österreichisch-Russische Gesellschaft Steiermark, Interview mit dem ehemaligen Sowjetoffizier und ersten provisorischen Kommandanten von Graz, Jampolskij, online unter:
https://oerg.or.at/kriegsende-graz/ (21. Oktober 2019)

Steiermärkisches Landesarchiv, Die Steiermark im Bombenhagel, online unter:
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Wien Geschichte Wiki, Luftkrieg, online unter:
https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Luftkrieg (20. Oktober 2019)

Wien Geschichte Wiki, Luftschutzbunker, online unter:
https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Luftschutzbunker (20. Oktober 2019)

Yad Vashem Internationale Holocaust-Gedenkstätte, Über den Holocaust (mit zahlreichen Unterseiten), online unter:
https://www.yadvashem.org/de/holocaust/about.html (16. Oktober 2019)


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