Am 8. Mai 1945 kapitulierte das Deutsche Reich bedingungslos, womit der Zweite Weltkrieg in Europa endete. Zu diesem Zeitpunkt herrschte großes Chaos in Mitteleuropa – Einheiten alliierter und deutscher Streitkräfte, Zivilisten, Zwangsarbeiter, KZ-Häftlinge und Kriegsgefangene befanden sich an Orten, oft hunderte oder tausende Kilometer von ihrer Heimat entfernt.
Auch das US-amerikanische Heer war in diesen Tagen entlang taktischer Linien stehengeblieben, die sich am Gelände orientierten, nicht an den einstigen Staatsgrenzen. Die dringlichsten Aufgaben bestanden somit darin, Ordnung in diesen Staat zu bringen, der zerstört darniederlag, und die Strukturen so zu organisieren, dass die Militärverwaltung effizient arbeiten konnte. In diesem Moment Anfang Mai befanden sich in Österreich ganz oder teilweise zwei Heeresgruppen, zwei Feldarmeen, vier Armeekorps und zwölf Divisionen der USA.
Die Anfänge der Militärverwaltung für Österreich lagen im italienischen Verona, wo General Mark C. Clark im Juni 1945 zum kommandierenden General für Österreich ernannt wurde. Erst in der zweiten Junihälfte wurde Österreich verwaltungsmäßig von Deutschland getrennt. Bis dahin galten für Österreich die gleichen Vorschriften und Bestimmungen wie für Deutschland. Während jedoch Letzteres als erobertes Land behandelt wurde, galt Ersteres als befreites Land, wie schon im Herbst 1943 in der Moskauer Deklaration formuliert worden war.
Die Aufgabe der Besatzungsmächte war es nun, gemäß der Deklaration ein freies, unabhängiges und demokratisches Österreich mit einer gesunden Wirtschaft zu errichten, die in der Lage ist, einen angemessenen Lebensstandard zu sichern. Dies funktionierte in den von den Westalliierten verwalteten Landesteilen besser als in der sowjetischen Zone. Der wirtschaftliche Aufschwung, der 1948 mit dem Marshallplan einsetzte, fiel im westlichen Kontrollbereich größer aus als im sowjetischen Bereich, wo zudem große Wirtschaftsbetriebe, wie etwa die Zistersdorfer Ölfelder der österreichischen Wirtschaft entzogen worden waren.
Die Kommandos der USFA
Um das Land sinnvoll zu organisieren wurde eine einfache, klare Militärverwaltungsstruktur aufgebaut: die „United States Forces in Austria“ (USFA).
1953 gestaltete sich der Aufbau der USFA folgendermaßen:
- Das Hauptquartier der US-Streitkräfte (Headquarters, United States Forces in Austria), inklusive Aufklärungseinheiten der Luftwaffe und der Marine, befand sich im Camp Riedenburg in Salzburg und teilweise im Linzer Camp McCauley.
- Das Hauptquartier des taktischen Kommandos (Hq Tactical Command) befehligte alle taktischen Einheiten der US-Streitkräfte und war im Camp Roeder in Wals-Siezenheim stationiert.
- Das Unterstützungskommando (Support Command) befand sich in Livorno, Italien, und war für sämtliche logistischen Unterstützungstätigkeiten, wie etwa die Versorgung der Truppen zuständig.
- In Salzburg war weiters das Gebietskommando (Area Command) stationiert, das sämtliche Posten, Lager und Stationen in der US-Zone unterstützte und betreute.
- Das Wiener Kommando (Vienna Command) hatte die Verantwortung über die Führung und Verwaltung sämtlicher US-Einheiten in Wien. Der befehlshabende General in Wien war zugleich der Vertreter der USA in der Wiener Interalliierten Kommandantur (Vienna Inter Alliied Command), die wiederum in allen Angelegenheiten der Alliierten Kommission zuständig war.
Special Troops und Geheimdienste
Zu guter Letzt gab es noch das Hauptquartier der Spezialtruppen (Hq Special Troops), das sich etwas außerhalb der Stadt Salzburg im Camp Truscott in Elsbethen befand. Diese Einheiten waren einerseits technischer Natur wie etwa die 576. Autokompanie oder die 69. Ingenieur-Topographie-Kompanie, andererseits nachrichtendienstlicher Natur wie das 430. CIC-Detachment (Counter Intelligence Corps) und das 533. MIS-Bataillon (Military Intelligence Service).
Diese letztgenannten Nachrichtendienstverbände waren jedoch nicht in Elsbethen, sondern zumindest teilweise in Salzburg am Franz-Hinterholzer-Kai 4 einquartiert. Im Nachbargebäude am selben Areal, Alpenstraße 1, waren einzelne Abteilungen des Assistent Chief of Staff G-2, also der den Nachrichtendiensten übergeordneten Stelle, untergebracht. Heute befindet sich in diesen Gebäuden das Stadtpolizeikommando Salzburg.
Military Intelligence Service – MIS
Das MIS war 1942 im Zuge der Aufspaltung der „Military Intelligence Division“ (MID) ins Leben gerufen worden – die MID blieb als Planungsbehörde bestehen, das MIS war dessen operativer Arm. Es stand unter der Kontrolle des militärischen Nachrichtendienstes G-2 und hatte die Aufgabe, sowohl im Krieg als auch im Frieden „durch Luftaufklärung, ‚Terrain Intelligence‘, Funkaufklärung, Militärspionage, Kriegsgefangenenbefragungen usw. möglichst viele Fakten und Daten aus dem feindlichen Lager zu beschaffen und analytisch aufzubereiten.“1
Der militärische Nachrichtendienst umfasste die Sammlung, Analyse, den Schutz und die Bereitstellung von Informationen über den Feind, das Gelände und das Wetter in einem Einsatzgebiet oder einem Interessengebiet in Friedens- und Kriegszeiten. Er evaluierte Informationen über die Stärke, die Aktivitäten und die wahrscheinlichen Vorgehensweisen fremder Länder oder nichtstaatlicher Akteure, die in der Regel Feinde oder Gegner waren.2
Das 533. MIS-Bataillon in Salzburg beschäftigte sich hauptsächlich mit dem Verhören von Flüchtlingen sowie Übersetzungs- und Auswertungsdiensten.
Counter Intelligence Corps – CIC
Das Hauptquartier des US-Spionageabwehrdienstes CIC wurde nach Kriegsende in Salzburg eingerichtet – im August 1945 übersiedelte es weiter nach Wien. Von dort aus wurden drei Detachments des CIC in der US-Besatzungszone verwaltet:
- Detachment A: Salzburg mit Sitz in der Stadt Salzburg, 5 Außenstellen
- Detachment B: Oberösterreich mit Sitz in Linz, 11 Außenstellen
- Detachment C: Wien
Das CIC widmete sich anderen Aufgaben als das MIS. Die primäre Tätigkeit galt dem Aufspüren nationalsozialistischer Funktionäre respektive der Denazifizierung. Allein im Sommer 1945 gelang es dem CIC, fast 4000 gesuchte NS-Funktionäre zu verhaften. Ab Februar 1946 übertrug die Alliierte Kommission die Verpflichtung, NS-Täter auszuforschen und vor Gericht zu stellen, an die österreichischen Behörden.
Etwa ab 1946 erkannte das CIC als erster Geheimdienst seine Rolle im aufkeimenden Ost-West-Konflikt. Die Gefahr ging nun nicht mehr vom früheren Feind Österreich aus, sondern vom einstigen Verbündeten – der Sowjetunion. So beobachtete es sehr genau die Aktivitäten der Kommunistischen Partei und von osteuropäischen Personen in Österreich. Die Agenten des CIC kämpften „gegen den ideologisch-polizeilich orientierten sowjetischen Geheimdienst NKVD, gegen die sowjetische Konterspionageeinheit SMERŠ (‚Tod den Spionen‘) und natürlich gegen die Agenten des militärischen Nachrichtendienstes der Roten Armee GRU.“3
Ins Zwielicht geriet das 430th CIC-Detachment ab 1946, als erfahrene CIC-Mitarbeiter, die ihren Dienst abgeleistet hatten und in ihre Heimat zurückgekehrt waren, teilweise durch ehemalige Nationalsozialisten ersetzt wurden. Der Gedanke dahinter schien logisch: Wenn von den eigenen Mitarbeitern niemand Erfahrung damit hat, die Sowjetunion auszukundschaften, so müssten jene Männer rekrutiert werden, die spätestens seit 1939 die üppigsten Erfahrungen in diesem Feld sammeln konnten.
Männer der ehemaligen deutschen militärischen Abwehr, der SS, des Sicherheitsdienstes und der Geheimen Staatspolizei wurden als Informanten und Mitarbeiter in die Reihen des CIC aufgenommen. Darunter befanden sich einige schwerbelastete und teils des mehrfachen Mordes überführte Nationalsozialisten, wie etwa Otto von Bolschwing (Deckname „Grossbahn“), dem ehemaligen Adjutanten Adolf Eichmanns, oder Robert Jan Verbelen, der in Belgien wegen des Mordes an 101 Menschen in Abwesenheit zum Tode verurteilt worden war.
Die Überwachungsaufgaben des CIC unterschieden sich deutlich von denen des MIS, wie die folgende Auflistung von 1955 zeigt:
„Priorität I
Anzeichen für bevorstehende Kriegshandlungen
Sturz der österreichischen Regierung [Aktivitäten, die die Regierung hätten stürzen können, wurden beobachtet und gegebenenfalls verhindert. / TK]
Aktivitäten der Geheimdienste der Sowjetunion und der Satellitenstaaten
Priorität II
Beschwerdenachforschungen
Sicherheitsberichte und -inspektionen
Priorität III
Aktivitäten der KPÖ
Priorität IV
Überprüfungen bei Anstellungen
Ehenachforschungen
Priorität V
Aktivitäten der Frontorganisationen der KPÖ
Priorität VI
Rechtsradikale Gruppen“4
Weiters beschattete das CIC in Österreich prominente Politiker und beschaffte Informationen aus der Innenpolitik.
Im Stadtpolizeikommando Salzburg, wo nach einem Telefonverzeichnis von 1949 (externer Link, Seite 24) neben einzelnen Abteilungen des Chiefs of Staff G-2 die CIC- und MIS-Einheiten untergebracht waren, sind noch heute die oben und unten gezeigten Aufschriften zu erkennen. Mit augenzwinkernder Wahrscheinlichkeit standen in dieser Garage die schwarzen Cadillacs, mit denen die tollkühnen Agenten zu ihren nervenzerfetzenden Beschattungen sowjetischer Konterspione fuhren.
Exemplarische Einblicke in die Arbeit Salzburger CIC-Agenten gibt es etwa unter diesen externen Links im englischsprachigen Central Intelligence Agency Library.
Der erste führt zu einem dreiseitigen Report von 1952, der anscheinend vom oben bereits erwähnten Otto von Bolschwing angefertigt wurde:
https://www.cia.gov/library/readingroom/docs/BOLSCHWING,%20OTTO%20(VON)%20%20%20VOL.%202_0031.pdf (22. März 2020)
Hier ist die Beurteilung eines potenziellen Spions von 1947 nachzulesen:
https://www.cia.gov/library/readingroom/docs/ALFERTCHIK%2C%20NIKOLAI_0024.pdf (22. März 2020)
Vielen Dank an Herrn Heinz Raffetseder vom Stadtpolizeikommando Salzburg für das freundliche Entgegenkommen und die Möglichkeit, die Beschriftungen fotografieren zu dürfen!
Heinz Raffetseder ist Obmann des Vereines „Rainbow Division – Verein zur Erinnerung an die Befreiung Salzburgs“.
Möchtest Du Dich erkenntlich zeigen? Hier hast Du die Möglichkeit dazu.
Fußnoten:
1+2 Florian Traussnig, Militärischer Widerstand von außen. Österreicher in US-Armee und Kriegsgeheimdienst im Zweiten Weltkrieg (Wien 2016) S. 96, online unter:
https://books.google.at/books?id=oDhKDAAAQBAJ&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_atb#v=onepage&q&f=false (26. Juli 2020)
3+4 Siegfried Beer, Rund um den „Dritten Mann“: Amerikanische Geheimdienste in Österreich 1945–1955. In: Erwin A. Schmidl (Hg.), Österreich im frühen Kalten Krieg 1945–1958. Spione, Partisanen, Kriegspläne (Wien/Köln/ Weimar 2000) S. 87.
Quellen:
Central Intelligence Agency Library, Robert Jan Verbelen and the United States Government. A Report to the Assistent Attorney General, Criminal Division, U.S. Department of Justice (englisch), online unter:
https://www.cia.gov/library/readingroom/docs/VERBELEN%2C%20ROBERT%20JEAN_0062.pdf (22. März 2020)
Links und Literatur:
Informationsseite zu den United States Forces in Austria (englisch), online unter:
https://www.usarmygermany.com/Sont_USFA.htm (21. März 2020)
Interne Links:
Mehr zu den Jahren von der Besatzungszeit bis 1955:
https://www.worteimdunkel.at/?page_id=459
Mehr zur Kapitulation der Deutschen Wehrmacht:
https://www.worteimdunkel.at/?page_id=490#kapitulation
Mehr zum Ersten Kontrollabkommen:
https://www.worteimdunkel.at/?page_id=490#kontrollabkommen1
Mehr zum Zweiten Kontrollabkommen:
https://www.worteimdunkel.at/?page_id=490#kontrollabkommen2
Mehr zur Rede George C. Marshalls vor der Umsetzung des Marshallplans:
https://www.worteimdunkel.at/?page_id=490#marshall
Mehr zum Marshallplan:
https://www.worteimdunkel.at/?page_id=459#marshallplan